Der Montag ist der denkbar schlechteste Tag, im Büro zu erscheinen. Es gibt zwar durchaus Montage, die ich schadlos überstanden habe, beim letzten bin ich mir nicht ganz sicher.
Ein Anruf am frühen Morgen zwingt mich, über die Zukunft von Raiffeisen und den Zerfall der Schweiz nachzudenken. Eine Leserin unseres Kundenmagazins teilt mir unmissverständlich mit, dass es mit unserer Bank und der Schweiz abwärts ginge. „Abwärts?“, frage ich mit einem leicht zweifelnden Unterton nach.
Ob ich denn das Titelbild unseres Magazins nicht gesehen hätte. Meine Antwort interessiert sie nicht. Un-verschämt sei es, in einem Bankmagazin einen Bankleiter in korrekter Kleidung und daneben eine Verwaltungsratspräsidentin in Cowboy-Stiefeln und „schluddliger“ Kleidung zu präsentieren. Ihrer sich überschlagenden Stimme und der maschinengewehrmässigen Satzfolge nach zu urteilen, ist die Dame einem Kollaps nahe.
Ich versuche, ihre hitzige Stimmung runterzukühlen. Dabei mache ich einen groben Fehler: Ich verteidige die Kleiderwahl der Dame. Nicht nur das, ich versuche auch noch, den angekratzten Glanz unseres Finanzinstituts wieder glattzupolieren. Bei uns sei die Fachkompetenz der Behördenmitglieder wichtiger als die Kleiderwahl.
Jetzt war nicht mehr die Kleidung unverschämt, sondern ich. Ich blicke auf mein T’Shirt und meine Jeans und frage mich ernsthaft, ob ich mich mit Anzug und strenger Karriere-Frisur auch mit solch grundlegenden Problemen befassen müsste! Ein Blick auf meine Chefin reicht ... mir geht ein Licht auf. Morgen gehe ich shoppen.
Nicoletta Hermann - 2008